Designgeschichte mit Zukunft - "Niederösterreichische Wirtschaft" Nr. 51
Wie kam es zur Gründung des Geschirr-Museums?
Schönleitner: Ich bin ein typisches Arbeiterkind aus der Gegend und habe mich 1986 als Schlossermeister
selbstständig gemacht. Auf der Suche nach Kunden stellte ich mich in der Winckhlmühle vor und habe ab
diesem Moment für Lilienporzellan gearbeitet. So entstand meine emotionale Nähe zur Fabrik und ihren
Arbeitern sowie zu den legendären Produkt-Linien „Daisy“ und „Corinna“, die die österreichische Design-Geschichte
stark geprägt haben. Die Schließung der Firma war für mich ein unglaublich trauriger Moment. Ich bin danach
immer wieder am Firmengelände auf und ab spaziert, mit dem Gedanken, man müsse die Geschichte von
Lilienporzellan und einen Teil der alten Gemäuer in die Zukunft retten. 2004 bekam ich von Laufen Austria
die Chance, den ältesten Gebäudetrakt des Fabriksareals zu erwerben. Innerhalb von drei Jahren habe ich
diesen Trakt saniert und 2007 das Museum eröffnet.
Frau Fink, wie kam es zu Ihrer Mitarbeit im Geschirrmuseum?
Fink: Über private Verbindungen bin ich mit Manfred Schönleitner in Kontakt gekommen und konnte
das Projekt „Geschirr-Museum“ von Anfang an live mitverfolgen. Die Umbauarbeiten, insbesondere aber
auch die Objekte und das Archiv haben mich dermaßen gefesselt, dass ich von der Stunde null an aktiv am
Entstehungsprozess des Museums mitwirken wollte.
Wie hat das Studium an der NDU dabei geholfen?
Fink: Die Wissensvermittlung erfolgt realitäts- und praxisnah, lässt aber auch viel Spielraum. So konnte
ich profundes Know-how in sämtlichen Bereichen der grafischen und medialen Gestaltung erwerben und
zugleich meine individuellen Gestaltungs-Ideen experimentell ausloten. Meine Lieblingsfächer waren
Typographie und Kalligraphie: Diese Disziplinen gehen im Computerzeitalter immer mehr verloren.
Wie hoch waren die Investitionen und wie halten Sie den Museums-Betrieb am Laufen?
Schönleitner: Neben tausenden unbezahlten Arbeitsstunden habe ich allein rund 1,7 Millionen Euro an
Eigenmitteln in die Umbau- und Adaptierungsarbeiten gesteckt. Wir haben zu diesem Zweck einen Verein
gegründet. Dieser besteht aus sieben ehrenamtlichen Mitarbeitern, wovon sich derzeit vier, allen voran
Martina Fink und Johanna Kräftner, aktiv in den Museumsbetrieb einbringen. Unsere Ehrenamtlichkeit
stößt aber immer mehr an ihre Grenzen und wir mussten die Öffnungszeiten stark drosseln. Es haben
alle Vereinsmitglieder berufliche und familiäre Verpflichtungen zu erfüllen und ich muss auch meinen
Schlosserbetrieb weiterführen.
Wie sieht die Zukunft für das Geschirr-Museum aus?
Schönleitner: Die Bevölkerung in und um Wilhelmsburg verknüpft viele Erinnerungen und Geschichten
mit Lilienporzellan und erachtet das Museum als „öffentliches Gut“ und kritisiert die eingeschränkten
Öffnungszeiten. Das hat uns veranlasst, Verhandlungen aufzunehmen, mit dem Ziel, entsprechende
Unterstützung zu erlangen. Der Museumsbetrieb soll von der öffentlichen Hand getragen werden und
funktionieren und – wenn möglich – auch die historische und nach wie vor funktionstüchtige Fabrikshalle
gegenüber dem Museum einer Wiederbelebung zugeführt werden können.
Was sind Ihre Pläne?
Schönleitner: Als Unternehmer hat man stets Pläne und lernt nie aus. Ich wollte schon immer die
Matura machen und habe nun am WIFI NÖ die Berufsreifeprüfung abgelegt. Mein nächster Schritt
geht in Richtung Universitätsstudium. Das Fach steht bereits fest: Europäische Ethnologie.
Fink: Ich plane, ein Buch über die Geschichte von Menschen zu schreiben, die seinerzeit in der
Firma ÖSPAG (Anm. Österreichische Sanitär Keramik und Porzellan Industrie AG) mit den
Produktionszweigen Lilienporzellan und Sanitärkeramik (Marke Laufen) gearbeitet haben.
Weitere Infos:
Verein Wilhelmsburger Geschirr-Museum
Färbergasse 11
3150 Wilhelmsburg
Telefon: 02746/4644
Mail:
Öffnungszeiten und Infos:
www.geschirr-museum.at
Erschienen in "Niederösterreichische Wirtschaft" Nr. 51, 20.12.2013.
Beitrag verfasst von Frau Dr. Karin Hirschberger und Mag. Johannes Zederbauer – New Design University St. Pölten